Ein Buch, wie kein zweites. Oder doch nur selbstverliebtes Blabla? Viele Fragen stellen sich zum Buch des Rapstars Kollegah. So sieht man auf dem Titelcover den Rapper einerseits mit Anzug, Krawatte, fetter Uhr und Zigarre und auf der anderen Körperhälfte muskelbepackt im Trainingsshirt. Eine Vielseitigkeit, die sich auch durch das ganze Buch zieht. Auf dem Buchrücken sind die unabstreitbaren Erfolge Kollegahs aufgelistet. Nur um noch mal jedem ganz klar zu machen, dass dieser krasse Typ wissen muss, wovon er spricht. Und er ist sich sicher: jeder soll und kann so werden wie er. Im Buch erklärt er wie das abläuft. In 3 Teilen: der Analyse, den 10 Geboten der Bosshaftigkeit und dem Neubeginn oder: Du bist Boss!
Der erste Schritt ist die Analyse dessen, was ein Boss denn überhaupt ist. Hier macht er auch direkt klar: „Es ist ein selbstbewusstes MÄNNER-Buch in einer vermehrt androgyn gewordenen Gesellschaft und sowas schmeckt den verweichlichten Pressepussys selten.“ Ja, da hat er dann gleich schon eine Ausrede für negative Kritiken am Start und als Frau hat man in diesem Szenario eh nichts zu sagen. Sonst würde es ja `Bossin´ heißen. Naja, Feminismus wäre bei einem Buch von Kollegah wohl eh fehl am Platz, wenn man sich einen Herzinfarkt ersparen möchte. Fest steht: Der Anfang des Buches ist selbstbewusst. Darüber, ob das alles ein bisschen größenwahnsinnig ist, lässt sich streiten.
In völliger Arroganz stellt sich `Kolle´ zu Beginn des Buchs erst mal ganz klar über den Leser und kategorisiert ihn als Lauch. Genauso wie Einstellung und Umfeld. Die eigenen Freunde sollten nicht nett sein. Falls doch, solle man sich mit dem Buch „in die Fresse“ schlagen.
Dennoch meckert er nicht nur über die vermeintlich lauchigen Leser, sondern erklärt auch direkt, wie man es seiner Meinung nach besser macht. Inhaltlich eigentlich das selbe wie bei der Lauch-Einstellung zum Leben, nur eben mit krasseren Worten. „Meine Homies sind immer da, wenn ich sie brauche“. Schließt Nettigkeit das aus? Fraglich. Aber die Zeit zum Nachdenken wird dem Leser kaum gelassen, bevor die nächste Beleidigung folgt. „Wir gehen davon aus, das der Leser ein absolut ungefickter TOTAL-LAUCH ist.“
Geziert von regelmäßig eingestreutem Alpha-Mindset. A la „Veränderungen sind gut. Jeder Ausbruch aus meiner Komfortzone bringt mich meinem Ziel ein Stück näher.“
An den Alpha-Weisheiten ist natürlich wirklich was dran, aber sie könnten genau so gut leicht abgewandelt aus einem Sprüche-Abreiß-Kalender stammen, der bei Omi an der Wand hängt. Nachdem die Positionen ausführlich klar gemacht wurden, gibt es im Buch jedoch auch Teile, in denen Kollegah eigene Erfahrungen schildert. Er war ja nicht immer der Boss, Millionär, und Buchautor, sondern hat mal klein begonnen.
Diese Teile des Buches, `Realtalk´ genannt und immer mal wieder eingefügt, sind tatsächlich spannend und geben Einblicke in das wirkliche Leben des Felix Blume, inklusive alter Fotos. Zudem ist der Schreibstil in diesen Passagen auch ein wenig harmloser. Abseits von diesen Passagen sorgt Kollegah in seiner Analyse jedoch ununterbrochen dafür, dass der Leser nicht vergisst, wer er ist. Nämlich ein Niemand, ein kleiner Schüler vom Boss. Dies untermauert er unaufhörlich mit überflüssigen Satzanhängen wie „Du Lappen“ oder „junger Jedi“. Entweder er hält seine „Jünger“ also für ganz schön blöd, dass sie es regelmäßig vergessen und er sie daran erinnern muss, oder er möchte ihr Selbstbewusstsein auf ein absolutes Minimum runterschrauben, damit die Erfolge durch das Buch und seine Ratschläge krasser ausschlagen.
Im zweiten Teil stellt Kollegah dann seine selbst aufgestellten 10 Boss-Gebote vor. Immer untermauert von eigenen Songzitaten wird dem Lauch-Leser ausführlich wieder auf die Füße geholfen und erklärt, wie er ein besserer Boss wird. „Der Boss hat keinerlei Angst vor nichts und niemand außer Gott“ (Kollegah – Massaka Kokain 2, 2011). Mit seinen eigenen Geboten versucht `Kolle´ sich zumindest teilweise mit Gott auf eine Stufe zu stellen, aber die Größenwahnsinnigkeit wurde ja bereits erwähnt. Zudem gibt er in diesem Teil auch Hilfestellung zu Meditationsübungen und zum Kochen. Frauen werden als Utensil zum Spiegeln der Bosshaftigkeit genutzt und Wichsen ist eine Form von Schwäche. Fehler gehören dazu und die Leser sollen sich Kollegah als Vorbild nehmen. „Und welcher halbwegs intelligente Typ auf dieser Welt würde nicht sein Augenlicht und zehn Jahre seines Lebens dafür geben, mit Kollegah die Leben zu tauschen“
Im Anschluss daran wird den Jüngern vermittelt, wie ein Boss spricht. Er lernt ein Macher zu werden und sich mit solchen zu umgeben. Selbstbewusstsein ist notwendig, Arroganz abstoßend. In diesem Teil gesteht sich der Boss jedoch auch ein, dass er selbst nicht frei von Arroganz ist. Er legt aber direkt nach, dass er es sich eben auch leisten kann. Ansonsten wird noch viel mit klassischen Tugenden wie „Toleranz“, „Bescheidenheit“ oder „Dankbarkeit“ gefeuert. Der Jünger des Bosses soll lernen ein „Ehrenmann“ zu werden, großzügig zu sein und eine positive Einstellung zum Leben zu haben. Also irgendwie zusammenfassend doch nett. Aber nett ist ein verdammt verbotenes Wort.
Selbst vor Investitionsformeln macht der Boss keinen Halt. Immerhin soll sein Buch in jeder Lebenslage helfen und die Jünger in die richtigen Dinge investieren lassen. Genau so wie ein Grundkurs für das richtige Training nicht fehlen darf. Wie der Buchrücken schon verlauten ließ: ein Buch für alle Lebenslagen. Oder halt „nichts halbes und nichts ganzes“.
Der Neubeginn oder: Du bist Boss!
Der dritte Teil des Buches gestaltet sich sehr knapp. Immerhin wurden alle wichtigen Weisheiten vorher schon vom Stapel gelassen. Kollegah fasst nur noch einmal kurz zusammen, dass der Angriff als Boss jetzt losgeht. Mittlerweile ist der Leser auch kein „Lauch“ mehr, sondern ein „Freund“. Die eigene Entwicklung zum Boss hat er als Motivation als allerletztes noch einmal angefügt.
Eins bleibt zu sagen. Kollegah polarisiert die Massen und ist ein erfolgreicher, begnadeter Rapper. Und ein gesundes Selbstbewusstsein hat noch niemandem geschadet. Ob dieses Buch den Lauchs da draußen allerdings weiterhilft und sie zu Bossen macht ist fraglich. Einen hohen Unterhaltungswert hat es allemal, wenn man es nicht zu ernst nimmt und in manchen `Weisheiten´ steckt natürlich auch ein bisschen Wahrheit. Es bleibt zu hoffen, dass es da draußen Menschen gibt, bei denen dieses Buch ihren Zweck erfüllt und der Rest, der es liest entspannt genug ist, um es zu belächeln.